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8 Jahre (Iso-) Haft – eine Zwischenbilanz

Im Oktober 1996 wurde ich von der Polizei nach einem Banküberfall vorläufig festgenommen und in Stuttgart–Stammheim in Isolationshaft gesteckt. Auf Grund mehrerer Verurteilungen soll ich knapp 17 Jahre (exakt: 16 Jahre 9 Monate und 3 Wochen) Freiheitsstrafen verbüßen und im Anschluß daran (im Jahre 2013 ) nicht etwa freigelassen, sondern in Sicherungsverwahrung genommen werden. D.h., ich kann nach dem Willen der Justiz auf unabsehbare Dauer eingesperrt werden.

Ich bin ein so genannter Red–Skin (R.A.S.H. = Red and Anarchist Skin Head) und ein Mensch deutlicher Worte, deshalb auch die weiteren oben erwähnten Verurteilungen. So war einem Gericht die Bezeichnung einer Richterkollegin als "Bilderbuchexemplar einer faschistoiden Richterin" sieben Monate Freiheitsstrafe wert. Selbst die Frage nach der körperlichen Befindlichkeit wurde bestraft, da darin eine versteckte Morddrohung liege.

Weder vor den Gerichten noch im Gefängnis habe ich es für notwendig erachtet, falsche Reue zu heucheln, vielmehr vertrete ich meine persönlichen und politischen Ansichten unverändert und konsequent. Dazu zählt auch, unter keinen Umständen mit der Justiz zu "kooperieren". Vor einigen Jahren wurde mir von der Haftanstalt mitgeteilt, daß eine substantielle Abmilderung der Isolationshaftbedingungen nur dann in Frage käme, wenn ich zum einen vertrauensbildende Gespräche mit der Anstaltsleitung führen würde und zum anderen "der Gewalt abschwören" würde, insbesondere verspräche, weder Mitgefangene aufzuhetzen noch eine Meuterei oder einen Ausbruch zu planen.

Mittlerweile sitze ich bald acht Jahre unter Isolationshaftbedingungen im Gefängnis (lediglich 1998 wurden, als man mich kurzfristig nach Bayern deportierte, die Maßnahmen für kurze Zeit gelockert), das heißt: 24 Stunden am Tag alleine (einmal davon abgesehen, daß ich Wärter sehe, wenn das Essen gebracht wird oder die Post. In den letzten Jahren wird gelegentlich die eigentlich auch alleine zu absolvierende tägliche Stunde im Gefängnishof dadurch aufgelockert, daß ein weiterer Insasse, der in Isolation sitzt, mit in den Hof kann. Dahinter steckt aber weniger Menschenfreundlichkeit der Justiz, sondern ein Sachzwang: sitzen zu viele Gefangene in Isolation und bestehen alle auf ihre Hofstunde, muß die Anstalt Einzelhöfe zusammenlegen, um allen ihren Spaziergang zu
ermöglichen.

Über die alltäglichen Schikanen möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, Details können auf meiner Homepage nachgelesen werden.

Wo stehe ich nun, nach knapp acht Jahren? Am meisten zu schaffen macht mir die Handlungsunfähigkeit, die situationsbedingt ist. Anstatt draußen in dieser Zeit des Umbruchs und der zunehmenden Repression mitkämpfen zu können, sitze ich hinter Gittern. Aber das was ich von draußen durch Briefe, Radio und Zeitungen mitbekomme, bestärkt auch darin, nicht nachzulassen in der Frontstellung gegenüber dem herrschenden System.

Darin liegt sicherlich auch ein Gefahrenpotential, letztlich zu verbittern, oder den Bezug zur Realität zu verlieren; um so dankbarer bin ich auch, wenn es nicht immer leicht ist, wenn ich durch Kritik auf den Boden der Tatsachen geholt werde. In der praktizierten Solidarität durch Briefe von FreundInnen und SympathisantInnen, erlebe ich tagtäglich, daß ich nicht alleine, nicht vergessen bin. Da ich mit einigen Gefangenen in brieflichen Kontakt stehe kann ich sagen, die sehen es genau so: Diese Briefe von draußen sind ganz, ganz wichtig!

Aufmerksam verfolge ich die politischen Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene und es ist immer wieder frustrierend, sich nicht einzumischen, z.B. nicht mal eben auf eine Demonstration gehen oder sich anderweitig engagieren zu können. Vieles was ich im Gefängnis als Alltag erlebe (Bespitzelung, Durchsuchung, permanente Kontrolle) wird sukzessive auch "draußen" eingeführt und ich frage mich, ob ich, wenn ich in Freiheit zurückkehre (wann das sein wird, sei einmal dahin gestellt), nicht von dem einen Gefängnis in ein viel Größeres wechsele. Um so wichtiger erscheint es mir Widerstand zu leisten, die Autonomie zu verteidigen, die repressiven Strukturen und ihre Vertreter in Politik, Justiz und Wirtschaft zu entlarven, sie zu benennen – und ihnen unseren Widerstand entgegen zu setzen, in dem wir für eine freie und gerechte Welt kämpfen!

Ich bin ein Frühaufsteher, meist bin ich schon um 4 Uhr morgens wach und spaziere im Halbdunkel der Zelle, durch die Scheinwerfer die das Gefängnisgelände beleuchten wird es nie ganz dunkel, nun ich spaziere im Halbdunkel auf und ab. Durch die Vergitterung des Fensters sehe ich ab und zu den Mond oder die funkelnde Venus, rieche bei geöffnetem Fenster die Kühle der Nacht. Freiheit besteht sicherlich nicht nur in der Möglichkeit, sich körperlich mehr oder weniger jederzeit frei und ungehindert an einen anderen Ort zu begeben zu können, sondern auch darin, seinen Geist, seine Phantasie nicht einsperren zu lassen.

Diese innere Freiheit vermag einem auch die Justiz nicht zu nehmen!




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last modified 21.11.2017 | webmaster