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Leitbild Justizvollzug

Leitbild Justizvollzug

Mit diesen Worten („Leitbild Justizvollzug“) hat das Justizministerium Baden-Württemberg ein aktuelles Flugblatt betitelt, welches an Bedienstete im Knastbereich ausgegeben wird.

Über „Unsere Grundlagen“, „Gefangenenbezogene Ziele“, „Mitarbeiterbezogene Ziele“ und „Gesellschaftsbezogene Ziele“ bis hin zu „Unsere Erwartungen“ informiert das Papier.

Fett gedruckt steht auf S. 2 „Unser Handeln wird bestimmt durch die Menschenrechte und die Achtung der Menschenwürde aller“. Konkretisiert wird dies auf Seite 3 (Gefangenenbezogene Ziele) unter anderem durch die Zielvorstellung: „Wir nehmen die Gefangenen ernst, sind ehrlich und behandeln sie menschlich und gerecht; sie können sich auf uns verlassen.“

Ein Marathonlauf von 42 km beginnt auch mit dem ersten Schritt, aber es dauert eine Weile, bis die Läufer im Ziel sind; insofern erheitert es manche Mitgefangenen, dass es – lediglich – als Ziel bezeichnet wird, die Gefangenen ernst zu nehmen. Wann soll dieses Ziel erreicht sein? Morgen, nächstes Jahr, in 20 Jahren?

Auf Seite 4 (Gesellschaftsbezogene Ziele) steckt sich das Justizministerium für sein Personal das Ziel: „Wir distanzieren uns von extremem Gedankengut und setzen uns dagegen zur Wehr“.
Oha! Und wann mag dieses Ziel wohl erreicht sein?

Laut Leitbild habe das Personal von anderen zu erwarten (S. 6 unter „Unsere Erwartungen“): „Respekt der Gefangenen vor uns und unserer Arbeit“, man wünscht sich jedoch auch „Anerkennung und Unterstützung unserer Arbeit durch Politik und Gesellschaft“. Das Faltblatt schließt mit der Aufforderung: „Wir identifizieren uns mit unserer Arbeit und orientieren uns dabei an unserem Leitbild“.

Gefangene, die sich diesen Erguss des Ministeriums zu Gemüte führten, hielten es erst für eine – richtig gelungene – Satire im Stile der titanic.
Als versichert wurde, es handele sich um ein authentisches Produkt des Justizministeriums, gerieten die Äußerungen abfälliger.

Wie weit es mit der Achtung der Menschenwürde her ist, belegt schon die Tatsache, dass die JVA Bruchsal, d.h. nicht „die“ JVA, sondern deren Personal, das sich ja eigentlich an diesem Leitbild zu orientieren hätte, zig Gefangene in Zellen einsperrt, in welchen das WC offen im Zelleneck steht. Solange ein solcher Haftraum nur von einem Insassen bewohnt wird, liegt kein Verstoß gegen die Menschenwürde vor. Jedoch mußte das Land schon Schadenersatz zahlen und Gerichte (LG wie OLG) stellten fest, eine Belegung mit zwei Gefangenen verletze Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (Achtung der Menschenwürde). Gelegentlich behilft man sich mit dem Argument, die betreffenden Strafgefangenen würden vorher um Zustimmung gefragt. Hierbei wird übersehen, dass niemand auf den Achtungsanspruch – wirksam – verzichten kann. Zurzeit sind mehrere dutzend Gefangene alleine hier in Bruchsal zu zweit in Zellen untergebracht, die ihre Menschenwürde verletzen. Jedoch wo kein Kläger, da kein Richter.
Und nach Meinung vieler in der Öffentlichkeit geht es (Straf)Gefangenen sowieso „viel zu gut“.

Es steht zu vermuten, dass das „Leitbild“-Faltblatt innerhalb des Personals viel Heiterkeit auslösen wird; bei den Gefangenen jedenfalls wurde es zum Anwärter für den „Witz des Jahres“ nominiert.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




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last modified 23.11.2017 | webmaster