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News aus Freiburgs Verwahranstalt



Die Freiburger Sicherungsverwahrung und ihre Leitung sind immer für den einen oder anderen Kracher gut. Heute soll es gehen um den Zuschuss fürs Essen, um die Zugangsmöglichkeit zum Knasthof und um die Bewachung bei Spaziergängen.



Der Essensgeldzuschuss

Sicherungsverwahrte, das sind die, die erst ihre Strafe absitzen, danach aber nicht frei gelassen werden, weil sie als zu „gefährlich“ für die Gesellschaft gelten, abgestempelt werden als Gewohnheitsverbrecher, als „Sondermüll“, der in Endlagerstätten, den Sicherungsverwahrungs-Abteilungen der Justizvollzugsanstalten endgelagert wird. Seit 2013 gibt es für diese Klientel, über 500 Männer, Tendenz steigend, weniger als eine handvoll Frauen, eigene Gesetze, die ihnen gegenüber der Strafhaft „bessere“ Lebens- und Alltagsbedingungen gewähren sollen. Denn während die Strafhaft, so die Logik der PolitikerInnen und JuristInnen, der Sühne begangenen Unrechts dient, soll die SV rein präventiv wirken, nämlich künftige Straftaten verhindern (durch Einsperrung). Da also die Gesellschaft hier den Betroffenen ein „Sonderopfer“ abverlangt, müssen die Haftbedingungen besser sein als im Strafvollzug, urteilte 2011 das Bundesverfassungsgericht.

Ein Punkt stellt das Essen dar. Den Unmut über den „Knastfraß“ gibt es sicherlich schon seit es Gefängnisse gibt, und auch wenn wir in Deutschland von den US-Verhältnissen noch ein stückweit entfernt sind, wo nämlich ein berüchtigter Sheriff in Arizona stolz darauf war, seine Wachhunde besser zu verpflegen als die InsassInnen, so ist der deutsche Staat doch nicht viel spendabler. So beträgt der Tagessatz, den das baden-württembergische Justizministerium den Vollzugsanstalten des Landes pro Nase zur Verfügung stellen, rund 2,28 ¤, das schließt also Frühstück, Mittagessen, Abendessen und für die arbeitenden InsassInnen das sogenannte „ArbeiterInnen-Frühstück“ ein. Sicherungsverwahrte wiederum dürfen sich, als Ausdruck der „Besserstellung“ gegenüber der Strafhaft, selbst verpflegen.

Wer also nun als Sicherungsverwahrter von dieser gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht, erhält den genannten Betrag als Zuschuss. Das macht exakt 68,44 ¤ (2,28 ¤*30 Tage) im Monat. Davon kann man sich nicht wirklich ernähren, erst recht nicht wenn man bedenkt, dass die Verwahrten ihre Lebensmittel regelmäßig und exklusiv bei der Firma Massak Logistik GmbH kaufen müssen und nicht etwa billige Discounter nützen können, wohingegen die Vollzugsanstalten im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften die Lebensmittel für die Gefängniskost außerordentlich preisgünstig einkaufen.

Und deshalb soll das nach Ansicht von Ministerium und Justizvollzugsanstalt ja lediglich ein „Zuschuss“ sein und man muss selbst zusehen, woher der Rest kommt.

Als ich 2017 bei der JVA Freiburg eine Erhöhung der Summe verlangte, denn weder sei die Inflation berücksichtigt noch die Preisgestaltung des Anstaltskaufmannes, dessen Lebensmittelpreise erheblich über denen von Supermärkten liegen würden, lehnte die Anstalt das Ansinnen nach monatelanger Prüfung ab. Es wurde sogar stolz verkündet, man habe fast heldenhaft, vor allem aber erfolgreich gegen die Senkung des Zuschusses gekämpft, denn tatsächlich hatte das Ministerium den Tagessatz zwischenzeitlich gekürzt.

Nachdem ich dann Klage beim Landgericht Freiburg eingereicht hatte, mit dem Ziel, eine Erhöhung zu erstreiten, hob die Anstalt wenige Tage später ihre ablehnende Verfügung auf und sicherte eine Erhöhung zu. Diese erfolgte kurze Zeit später. Jetzt erhalten die Verwahrten ganze 71,48 ¤ pro Monat, eine frappante Erhöhung um exakt 3,04 ¤ im Monat.



Der Zugang zum Hof

Wie schon gesagt, der Alltag von Verwahrten soll nicht mehr ganz so strafhaftähnlich sein, also sieht das Gesetz vor, dass außerhalb der Nachtzeit eigentlich ungehinderter Zugang zum Knasthof bestehen sollte (wer mag, kann über google-earth den Knasthof aus der Luft betrachten, es ist ein winziges Areal, dort wo das Knastdach grünlich schimmert. Wesentlich größer ist der Hof der Strafhaft, das ist jenes Areal, auf dem ein Fußballplatz zu sehen ist, direkt neben dem Knastbau der aus der Vogelperspektive wie ein Stern aussieht. Die SV ist aber in dem Anbau mit dem grünlichen Dach und eigenem Hof untergebracht).

Die JVA Freiburg versteht darunter einige wenige Zeiten, zu denen man in den Hof gebracht und von dort geholt werden kann; aber selbst das funktioniert nicht reibungslos, weil ja erstmal BeamtInnen da sein müssen, die einen in den Hof bringen, gilt es doch zwei Türen zu öffnen, um von der Station in den Hof oder zurück zu gelangen.

Schon 2013 schlugen die Bewohner vor, man möge doch morgens die Stations- und die Hoftüre öffnen und abends dann schließen. Aber nein, das wäre doch viel zu einfach, viel zu unkompliziert und viel zu billig. Geschenkt, dass eh alles videoüberwacht ist, man sich also außerhalb der Zelle keine Sekunde unbeobachtet vom Videoauge bewegen kann (Big brother is watching us), nein, nein, etwas teures, etwas exklusives sollte her.

Mehrfach wurde geplant, aber dann floss das Geld nicht, aber 2018 war es soweit. Die Bauarbeiten begannen. Am Flurende der vier SV-Stationen wurden massive Gittertüren montiert, es sollte ein Schleusensystem entstehen. Über Wochen wurde gebohrt, gehämmert, geschweißt, gesägt. Dann wurden die elektronischen Systeme für die Schleusen geliefert und eingebaut. Zum einen ein Zahlenschloss, das mit PIN-Nummern arbeitet, aber man könnte ja die eigene PIN weiter geben, so dass unkontrolliert auch andere Insassen in den Hof könnten, die vielleicht aus Sicherheitsgründen nicht dürfen. Also wurde flugs noch ein Handvenen-Scanner eingebaut. Wer also künftig in den Hof will, muss erst die PIN-Nummer eingeben, um in die Schleuse zu gelangen. Dann ist da der Venenscanner und man kommt in das Treppenhaus. Und die Türe zum Hof öffnet sich auf Knopfdruck. Zurück dieselbe Prozedur.

Aber was ist nun, wenn sich zwei oder gar drei Insassen versuchen, in die Schleuse zu drängen? Ha! Auch daran wurde gedacht und dank der modernen Technik wurden in den Schleusen Kameras und zwei Scanner installiert, die erkennen sollen, wenn sich mehr als eine Person innerhalb der Schleuse aufhalten sollte und dann die Öffnung unterbinden. Für den Fall der Fälle wurden auch noch Gegensprechanlagen eingebaut, denn das System könnte ja durch einen Computerfehler ausfallen.

Die Schätzungen über die Kosten des Gesamtsystems für den Zugang zum Gefängnishof reichen in den sechsstelligen Bereich.

Tja, der Vorschlag der Verwahrten von 2013 war doch kostengünstiger, irgendwie ….



Bewachung bei Spaziergängen

Laut Gesetz dürfen die Sicherungsverwahrten vier Mal im Jahr vor die Mauern, das ist das Minimum, das der Stuttgarter Gesetzgeber ihnen zugebilligt hat; angeblich sollen so die „Lebenstüchtigkeit“ und der Bezug zur Außenwelt erhalten werden. In den ersten Jahren chauffierte mich das Personal nach Stuttgart, Bretten und ins Markgräfler Land, damit ich dort Menschen besuchen konnte. Mich in die Innenstadt zu lassen, das wollte man partout nicht. Dabei kenne ich Freiburg ganz gut, nur wenige Gehminuten von der „Endlagerstätte“ entfernt wurde ich 1977 eingeschult.

Es könnten jedoch Unbekannte die Ausführung „stören“, oder aus einem „unbekannten und nicht einschätzbaren anonymen Unterstützerumfeld“ heraus, so die Phantasie der Beschäftigten, wären gar Befreiungsaktionen zumindest nicht sicher ausschließbar. Also durfte ich nur in eine Wohnung ausgeführt werden. Gefesselt im vergitterten VW-Bus ging es ans Ziel. Vom VW-Bus bis in das Wohnungsinnere zusätzlich gekettet an einen der drei Vollzugsbeamten. Dort angekommen, legte man mir Fußketten an, dann erst wurden die Handschellen abgenommen.

Seit Anfang 2017 scheint es entweder kein Unterstützerumfeld mehr zu geben oder aber die latent paranoid anmutenden BedenkenträgerInnen haben in einem ihrer gelegentlichen Anflüge von Realitätssinn erkannt, wie absonderlich ihre Phantastereien angemutet haben, jedenfalls darf ich seitdem auch ungefesselt in die Innenstadt von Freiburg.

Immer bewacht von drei Vollzugsbeamten in Zivil, oder aber zwei Vollzugsbeamten und der Psychologin (das nennt sich dann 2- zu 1- Ausführung), die hinter mir her laufen und schauen, dass ich nicht stiften gehe. Vor einigen Wochen berichtete ich über die nach solchen Ausführungen gefertigten Verlaufsberichte der Haftanstalt, diese sind als PDF auch auf meinem blog einzusehen.

Da ich seit längerem arabische Gewänder trage, sie sind so schön luftig, bequem, gefallen mir, haben aber nicht auch nur ansatzweise irgendeinen religiös-spirituellen Hintergrund, besuchte ich so auch Frau B. in Bretten. Sie fand nichts dabei. Nur im örtlichen Supermarkt muss es dann zu Irritationen gekommen sein, da die drei Bewacher erst von einer Frau, dann vom Marktleiter angesprochen und befragt wurden, was sie denn hier tun würden. Ersichtlich wollten sie nämlich nichts kaufen, sondern hatten ausschließlich mich zu „bewachen“.

Einige Wochen später befragte mich die Stationspsychologin, Frau W., was denn das mit dem Gewand bei Ausführungen solle (sie hatte mich auch schon zu Anfang, als ich begann diese Kleidung zu tragen, mit dem Vorwurf konfrontiert, es gebe Bedienstete, die das in Angst versetze, die eine extremistische religiöse Entwicklung befürchteten. Tja, das sei eben auch Ausdruck meiner schweren Persönlichkeitsstörung, dass ich solche Ängste nicht wahrnehmen und auf sie eingehen würde), ob es nicht irgendwelche Kompromisse geben könnte, ich vielleicht eher etwas „mönchartiges“ tragen könnte. Wollte ich nicht; ich bin ja auch kein Mönch, auch wenn Insassen de facto zölibatär zu leben gezwungen werden. Ich würde später noch Bescheid erhalten, so abschließend Frau Diplom-Psychologin W.

Nun darf ich künftig nur noch die Ausführungen wahrnehmen, sofern ich solch ein Gewand weiterhin tragen wolle, wenn das Personal Uniform trägt! So wurde mir der „Bescheid“ der Anstaltsleitung kürzlich eröffnet. Angeblich könnte es nämlich Menschen geben, die mich – Zitat – für einen „Bombenleger“ halten und sich berufen fühlen könnten, mich anzugreifen. Durch die Anwesenheit des uniformierten Personals sei aber für jedermann klar, dass die Justiz alles im Blick und unter Kontrolle habe.



Ausblick

Vielleicht schüttelt manche/r den Kopf über das ein oder andere, möglicherweise auch über mich; es ist der ganz gewöhnliche Irrsinn einer Haftanstalt und wenn ich mir so anschaue, was sich in den letzten Jahren hier so getan hat, dann gehe ich nicht davon aus, dass „Besserung“ in Sicht ist, weder bei der Anstalt, aber auch nicht bei mir. Es gibt hier nicht wenige Untergebrachte, die sich verbiegen, dem Personal zu gefallen suchen, stets getrieben von der Hoffnung, dann würde die nächste Beurteilung besser ausfallen als die letzte und sich endlich das Gefängnistor öffnen. Und am Ende sind auch sie hier fünf, sieben, zehn, fünfzehn und mehr Jahre eingesperrt, dem Tod hinter Gittern damit jedenfalls näher als eine Haftentlassung.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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last modified 16.09.2018 | webmaster