de | en


index


texte


soli-aktionen


thomas


links


situation


karikaturen


impressum
Fressalien gefährden Knastsicherheit

Seit einigen Jahren sitze ich in Isolationshaft; an Wochenenden geht gelegentlich der Sprecher der Gefangenenvertretung mit mir in den Hof. Bei der Gefangenenvertretung handelt es sich um ein von den Insassen gewähltes Gremium, bestehend aus fünf Mitgefangenen.
Mußte ich früher mit deren Sprecher an der Zellentüre sprechen (es wurde von Wärtern eine Luke in der Türe aufgeschlossen, ich saß dann in der Zelle, der Mitgefangene saß auf dem Flur und Schließer überwachten das Gespräch),so besteht seit 2002 die Möglichkeit, daß er zu dem eigentlich aus "Sicherheits–gründen" wie die Anstalt meint, alleine zu absolvierenden Spaziergang dazu kommt. So können wir dann eine Stunde im Kreis spazieren und uns unterhalten.

Seit Jahr und Tag bringe ich gelegentlich einen kleinen Kuchen oder belegte Brötchen mit in den Hof, damit wir dieses dort gemeinsam verspeisen. In keinem einzigen Fall gab es Probleme.

Am 7. März jedoch sprach mich nun der Wärter und passionierte Jäger, Amtsinspektor G., auf die Thematik an und verbot die Mitnahme von Essen in den Hof, da dies die Sicherheit gefährde. Auf Grund der gegen mich angeordneten Sicherheitsmaßnahmen sei es erforderlich, die Speisen zuvor zu durchleuchten (mit einem Röntgenapparat wie er manchen vielleicht von Flughäfen bekannt ist); an den Wochenenden sei dies weder organisatorisch noch personell leistbar.

Solche Schikanen der Schließer verdeutlichen vielleicht ein wenig das Klima, das in diesem angeblichen "Resozialisierungsvollzug" herrscht. Subalterne Wärter, die sich einen positiven Vermerk für ihre eigene Personalakten und damit sicherlich auch raschere Beförderung oder eine Belobigung erhoffen, hatten nichts besseres zu tun, als sich am Morgen des 7. März bei oben erwähntem Jagdfreund zu melden und darüber Klage zu führen, daß sich am Samstag der Sprecher der Gefangenenvertretung und dieser Meyer – Falk Brötchen während des Hofganges zu Gemüte zu führen wagten. Vielleicht waren die den Hofgang bewachenden Wärter, die sich bei der Kälte die Beine in den Bauch stehen mußten, futterneidisch geworden?

Eine Petitesse mag man meinen. Daß ich als Betroffener den Vorgang als weiteren Mosaikstein in einem Prozeß der De–Sozialisierung (Gegensatz zu Resozialisierung) wahrnehme, das dürfte vielleicht verständlich sein. Zählt doch das Essen in Gemeinschaft mit anderen wohl zu den üblichen Praktiken. Insofern bedeutet das von Amtsinspektor Markus G. ausgesprochene Verbot, auch ein Stück Enthumanisierung, denn in Isohaft sitzend, nehme ich die regulären Mahlzeiten denknotwendig alleine ein. Das seit 2002 praktizierte gemeinsame Verköstigen von Kleinigkeiten im Knasthof (2004 unterbrochen, weil der Sprecher der GV, Herr Fritz G., kurzzeitig dieses Postens enthoben worden war und ihn sich erst gerichtlich zurück erstreiten mußte, vgl. u.a. "Meinungsfreiheit im Strafvollzug") bedeutet auf eine gewisse Weise eine Form von Rückgewinnung von (Ess-)Kultur. Dem von mir als zynisch erlebten Ratschlag des Amtsinspektors, ich könne belegte Brötchen werktags den Wärtern übergeben, die sie dann nach Kontrolle an den Sprecher der GV weiterreichen, der sie dann in seiner Zelle essen dürfte, kann ich wenig Sinnvolles abgewinnen.

Ob die SOKO "Brötchen" zwischenzeitlich aufgelöst wurde, oder ob Amtsinspektor Markus G. und seine Kollegen weitere Ideen austüfteln, dies entzieht sich meiner Kenntnis ...
Weidmannsheil – oder so.




Creative Commons-Lizenzvertrag           
last modified 23.11.2017 | webmaster