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Wahlrecht von Gefangenen

Wahlen als bürgerliche Institution sind, insbesondere wenn es um Landes- oder Bundesparlamente geht, gelinde gesagt von zweifelhaftem Wert. Dies vorausgeschickt, möchte ich jedoch im Folgenden dafür plädieren, die Möglichkeit der Wahlprüfungsbeschwerde dazu zu nutzen, auf Missstände im Bereich des Strafvollzuges in Deutschland hinzuweisen, also ausgehend von konkreten Mängeln bei der Teilhabe der Inhaftierten am Wahlprozedere, hin zu strukturellen Unzulänglichkeiten.

Ausgangspunkt

Gegen die Gültigkeit der Bundestagswahlen 2009 legte ich seinerzeit beim Bundestag Einspruch ein, u.a. mit der Begründung, es sei zu Unrecht unterblieben, in den Gefängnissen „bewegliche Wahlvorstände“ einzurichten, ferner sei das Wahlgeheimnis nicht zu 100% gewährleistet und darüber hinaus haben nur Gefangene wählen dürfen, die hierfür finanzielle Aufwendungen, wenn auch in bescheidenem Maße, getätigt haben.

Entscheidung des Bundestages

Mit Beschluss vom 07.07.2011 wies der Deutsche Bundestag den Einspruch zurück (http://www.bundestag.de Drucksache 17/6300, ab S. 19 ff). Soweit sich der Bundestag auf die Beschwerdepunkte eingelassen hat, bestritt er jeglichen Wahlfehler, eröffnete jedoch mit seiner ablehnenden Entscheidung den Weg zum Bundesverfassungsgericht.

Beschwerde beim BVerfG

Gegen die Entscheidung des Bundestages kann nun bis zum 06. September 2011 Beschwerde beim BVerfG eingelegt werden, sofern der Beschwerde mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten (vgl. § 48 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).

Vertreten werde ich – dankenswerterweise – von Herrn Rechtsanwalt Dr. Jan Oelbermann (http://www.heischel-oelbermann.de), der erst kürzlich bei Professor Feest, dem wohl bekanntesten Strafvollzugsforscher Deutschlands (http://www.strafvollzugsarchiv.de), über das Wahlrecht von Gefangenen, auch unter Berücksichtigung der Praxis anderer Staaten,
promovierte.

Wer der Beschwerde noch beitreten möchte, den bitte ich, die im Anhang befindliche Erklärung auszufüllen und an Herrn Rechtsanwalt Dr. Oelbermann per Post (e-mails erkennt das BVerfG nicht an!) zu übersenden:
Anwaltskanzlei Dr. Heischel & Dr. Oelbermann
Hauptstraße 19
10827 Berlin

Spätestens Ende August 2011 müsste die Erklärung unterschrieben dort eintreffen, damit sie noch rechtzeitig dem Gericht zugeleitet werden kann. Weitere Pflichten oder gar ein Kostenrisiko sind damit nicht verbunden, denn das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Sinn und Zweck des Verfahrens

Es geht insbesondere darum, zu klären, in welcher Münze dieser Staat das Recht seiner inhaftierten Bürgerinnen und Bürger an der Teilhabe im politischen Prozess misst.
Während in fast jedem Dorf ein Wahllokal zu finden ist, wird Gefangenen bundesweit konsequent verweigert, die Stimme in einem solchen abzugeben, selbst wenn in einigen Anstalten mehrere hundert Wähler(innen) inhaftiert sind, mehr als in so manchem Einzugsgebiet von Wahllokalen außerhalb der Gefängnismauern.
Ein Nebenaspekt, der hier aber auch erwähnt werden sollte: einem Großteil der Inhaftierten (wie auch vielen Ex-Gefangenen) wird das Recht aberkannt, Mitglied einer Partei zu sein oder auch eine Partei zu gründen. Denn wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert automatisch gem. § 45 StGB (i.V.m. § 10 Parteiengesetz) für fünf Jahre das Recht, Mitglied einer Partei zu sein. Wobei diese Frist erst zu laufen beginnt, wenn der/die Betroffene aus der Haft entlassen und die Bewährungs- oder Führungsaufsichtszeit verstrichen ist, mithin bis zu 10 Jahre nach einer Haftentlassung (5 Jahre „Bewährungszeit“ plus 5 Jahre Verlustfrist nach § 45 StGB) darf mensch sich nicht in einer Partei engagieren, denn die Zeit, die man in Haft verbringt, wird auf die genannte Frist nicht angerechnet.

Vielleicht lassen sich anhand dieser Thematik auch bestimmte Medien dazu bewegen, einmal auf die Zustände hinter den Gefängnismauern zu schauen, abseits von spektakulären Vorfällen, um so ein bisschen Transparenz und Durchlässigkeit zu erzeugen, auch über die antifaschistische und Anti-Knast-Szene hinaus.


Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://www.freedomforthomas.wordpress.com


Anhang (hier der Text der Beitrittserklärung für jene, die die Beschwerde unterstützen möchten)

Beitritt zu Wahlprüfungsbeschwerde


Hiermit trete ich


Herr/Frau ______________________________________________(Vor-
und Zuname)


wohnhaft in: ______________________________________________
(Straße/Hausnr.)

______________________________________________
(PLZ/Ort)


geboren am: ________________________


der Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht


des Thomas Meyer-Falk (Bruchsal)


vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Oelbermann, Berlin


gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag und gegen den
Beschluss des Deutschen Bundestages vom 07.07. 2011 (Drucksache 17/6300,
Az. WP 7/09)


gemäß § 48 BVerfG-Gesetz bei.


Ort/Datum
Unterschrift




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last modified 23.11.2017 | webmaster