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Verhindertes Gespräch im Knast - putzen statt sprechen

Nun sitze ich schon einige Jahre in Einzelhaft, allgemein auch Isolationshaft genannt, in der Haftanstalt in Bruchsal und berichte von Zeit zu Zeit über das, was hier so geschieht. Meine Texte werden "draußen" abgetippt, denn ich selbst darf nicht einmal eine mechanische Schreibmaschine besitzen, da diese in meinen Händen eine potentiell gefährliche Waffe darstelle. Aber selbst Gespräche sind offenbar eine Gefahr - für Mitgefangene!

Täglich kann ich eine Stunde an die frische Luft und meist nutze ich diese Möglichkeit. Der Hof ist weniger als halb so groß wie ein Fußballfeld und von Frühjahr bis zum Herbst farblich durch diverse Blumen aufgelockert. Vom Gefängnishof aus kann ich in die im Kellergeschoß der Anstalt gelegenen Schulräume sehen, dort werden Hauptschulkurse ebenso angeboten wie Berufsschulunterricht.

Der Mensch, zumal in Einzelhaft, braucht eigentlich etwas Ansprache und so wurde schon 1998 seitens des Anstaltsleiters zugestanden, dass ich im Hof kurze Gespräche mit Gefangenen führen dürfe, die ans Fenster der Schulräume kommen. Die Wärter im Hof hätten jedoch das Gespräch zu überwachen. Jahrelang gab es keine Schwierigkeiten...

Mitte Mai 2004 mischte sich nun urplötzlich Hauptsekretär K. in das Gespräch ein und sagte, ich hätte hier im Hof keine Unterhaltungen zu führen, "sondern zu spazieren, deshalb heiße es ja (wie originell) Hofgang"! Als ich mich daraufhin ein wenig aufgeregt hatte, kam dessen Vorgesetzter, Amtsinspektor G. in den Hof und erklärte dem K. die Regelung und bestätigte sie mir gegenüber erneut: Ich könne am Fenster sprechen, die Hofbeamten hätten das Gespräch zu überwachen.

Einige Tage später, Pfingstsonntag, sprach ich noch keine fünf Minuten mit jenem Mitgefangenen S., der an den Wochenenden die Schulräume putzt, als der diensthabende Vollzugsdienstleiter D. - der VDL ist der ranghöchste Wärter mit bis zu 5 silbernen Sternchen auf den Schulterklappen, ein Hauptsekretär beispielsweise hat nur ein einsames einziges Silbersternchen - anordnete, der Gefangene S. sei sofort in seine Zelle zu verbringen. Zwei Beamte eskortierten ihn sodann direkt in dessen Haftraum! Der Vorwurf: Durch das - kurze - Gespräch habe Herr S. seine Arbeitspflicht verletzt, er habe die Räume zu putzen und nicht mit mir zu sprechen. Am Sonntag wurde er nicht in die Schulräume gelassen.

Am darauf folgenden Pfingstmontag sprach ich Amtsinspektor G. darauf an, er wollte die Sache - erneut - abklären, meinte aber, gegen kurze Gespräche sei nichts einzuwenden, selbiges bestätigte am Dienstag ein Hauptsekretär.

So sprach ich frohen Mutes am Mittwoch den schon erwähnten Gefangenen S. - er durfte wieder in die Schulräume - am Fenster an und schon eilte Hauptsekretär P. herbei, um mit einem Lachen im Gesicht gönnerhaft von sich zu geben: "Sie wissen doch, Herr Meyer-Falk, dass Sie hier nicht sprechen sollen", da wäre mir die Hutschnur dann doch fast geplatzt. Als ich meinte, er strebe wohl nach einem zweiten silbernen Stern auf seiner Schulterklappe, meinte er verbissen, dass, selbst wenn es so wäre, dies einzig seine Sache sei.

Nicht überraschend für mich, teilte mir Amtsinspektor G. hernach mit, ich dürfe sehr wohl - kurze - Gespräche führen! Aller guten Dinge sind drei!? Jedenfalls warte ich nun interessiert auf die nächste Aktion der Wärter!

Ich halte dieses plötzliche Interesse für die kurzen Gespräche, denn jahrelang mischte sich keiner der WärterInnen ein, für eine neue Stufe der Eskalationsversuche, da ich auch nach vielen Jahren der Isolation zum einen nicht nachgebe, zum anderen jedoch leichter reizbar bin. Aber wie dem auch immer sei, so sprechen doch die wenig subtilen Methoden der Vollzugsbeamten für sich und ich erspare mir jeden weiteren Kommentar.

Mit frühsommerlichen Grüßen

Thomas Meyer-Falk




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last modified 23.11.2017 | webmaster