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Gefängnis Bruchsal - Neuigkeiten von der juristischen Front

Mit drei bemerkenswerten Entscheidungen des Landgerichts (=LG) Karlsruhe, bzw. des dort ebenfalls ansässigen Oberlandesgerichts (=OLG) möchte ich mich im folgenden beschäftigen, welche alle drei mit meiner strafvollzuglichen Situation zu tun haben.


A.) Gemeinsamer Hof mit einem Mitgefangenen

Wie schon an anderer Stelle berichtet ( "Knast in Bruchsal – und der Preußenschlag von 1932!") sitze ich in Isohaft und durfte von 2002 - 2003 mit einem Mitgefangenen im Gefängnishof spazieren, um zumindest etwas Ansprache zu erhalten. Dies wurde im Oktober 2003 untersagt, denn besagter Mitgefangener soll als Mitglied der Gefangenenvertretung (=GV) nach dem Suizid eines Gefangenen hiesiger Anstalt selbige in einem Brandbrief diffamiert haben. Das führte zum Rauswurf dieses Gefangenen G. aus dem erwähnten Gefangenengremium auf Weisung des Gefängnisdirektors ( "Strafvollzug: Folgen einer Selbsttötung"), und damit auch der Beendigung des gemeinsamen Hofganges, da die hierfür erteilte Genehmigung an die Mitgliedschaft des Herrn G. in der GV geknüpft war.

Also beantragte ich umgehend gemeinsamen Hofgang mit Herrn G. als "Privatperson", was Oberregierungsrätin X. ablehnte, da sie Herrn G. als nicht zuverlässig einschätzte.

Nunmehr entschied das LG Karlsruhe, diese Ablehnung sei rechtswidrig, da ermessensfehlerhaft und die JVA müsse mich - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - neu bescheiden. Nun warte ich gespannt auf die neue Entscheidung, bzw. darauf, ob die Anstalt den Beschluss anfechten wird.


B. Briefverkehr

Gemäß § 28 Strafvollzugsgesetz (Gesetzestext kann über www.knast.net abgerufen werden) dürfen Gefangene unbegrenzt Briefe versenden und empfangen. Die Untersagung des Briefwechsels mit bestimmten Personen, oder die Konfiszierung einzelner Schreiben (vgl. §§ 28, Abs. 2, 31 StrVollzGes) ist nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Das OLG entschied nun in zwei Fällen wie folgt:

b.1) Anhalten eines Schreibens

In einem Artikelentwurf, welchen ich nach dem 11.9.2001 an eine Zeitschrift ( Revolutionärer Aufbau Schweiz) schicken wollte, waren Äußerungen vorhanden, welche der Gefängnisleitung nicht gefielen. So würde ich dort zum einen zu Straftaten auffordern durch die Verwendung der Parolen "Tod dem Faschismus! Tod den Imperialisten". Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten würde es rechtfertigen, den Brief zu "beschlagnahmen".

Diesem Argument erteilte das OLG eine Absage, es liege nur eine - Zitat - "nicht wörtlich zu nehmende Parole" vor.

Des weiteren hatte ich nach Ansicht der JVA "grob unrichtige und entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen" verbreiten wollen, in dem ich behauptete, Gefangene wären im Anschluss an den Angriff auf das World Trade Center "gezwungen" worden, an Schweigeminuten teilzunehmen. Zumindest "grob unrichtig", so nun das OLG, war diese Darstellung nicht, auch wenn es lediglich so gewesen sei - was auch die Anstalt eingeräumt habe -, dass zur - Zitat -"Abhaltung einer Schweigeminute" aufgefordert, aber niemand physisch oder psychisch tatsächlich gezwungen wurde, teilzunehmen; dass ich "diese unverbindliche Aufforderung als Zwang empfunden hätte", könne nicht als grob unrichtig angesehen werden.

Letztlich absenden durfte ich den Brief nach nun bald 3 Jahren Rechtsstreit dennoch nicht, denn das OLG sieht mein "Vollzugsziel" (§ 2 StrVollzGes) gefährdet, nämlich meine Befähigung, ein Leben ohne Straftaten zu führen.

In meinem Text würde ich den bewaffneten revolutionären Kampf befürworten und hierzu aufrufen, ich müsse jedoch lernen, dass - Zitat - "in einem demokratischen Gemeinwesen Gewalt kein Mittel zur Lösung von Konflikten ist, sondern bestehende Schwierigkeiten und Probleme gewaltfrei bewältigt werden müssen".

b.2) Untersagung eines Briefwechsels

Im Jahre 2000 untersagte die Anstalt den Briefkontakt zu einem Genossen in Innsbruck, sowie zur Sektion Anarchist Black Cross - Innsbruck, da diese in Verdacht stehen würden, einen schädlichen Einfluss auf mich auszuüben.

Exakt vier Jahre (!) später hob das OLG diese Verfügung nun auf. Der - Zitat - "bloße Aufruf zu Solidaritätskundgebungen zu subjektiv als ungerecht empfundene Haftbedingungen" genügt für die Untersagung eines Schriftwechsels nicht.
Geschützt, so schränkt das Gericht seine Feststellungen sogleich ein, sei jedoch ein Briefverkehr nicht, wenn er - Zitat - "allein der Aufwiegelung und der Verfestigung vorhandener Defizite" diene. Jedenfalls habe die Gefängnisleitung zu prüfen, ob es nicht ausreichend sei, ggf. einzelne Briefe anzuhalten, anstatt sogleich den vollständigen Briefwechsel zu verbieten.

b.3) Anmerkung des Autors

Wie schön doch das OLG dies formuliert - auch in seiner Entscheidung zu b.2 -: In einem demokratischen Gemeinwesen sei Gewalt kein Mittel zur Lösung von Konflikten, bestehende Schwierigkeiten und Probleme müssten gewaltfrei bewältigt werden.

Sollte diese "Begründung" das "Heimatschutz-Ministerium" der USA mitbekommen, dürften sich die drei Richter des OLG, die Herren H., H. und B. in den USA wohl nicht mehr allzu willkommen fühlen, ist doch Amerika nach eigener Vorstellung ein "demokratisches Gemeinwesen", aber schon seit Menschengedenken ist es US-Politik, Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten einzusetzen: Korea, Vietnam ... bis hin zu Afghanistan und Irak.

Scheich Ahmed Jassin, der vor wenigen Tagen von der israelischen Armee gezielt getötet wurde, würde es sicherlich auch als nicht gerade gewaltfrei bezeichnen, wie man ihn ums Leben brachte.

Aber richterliches Gutmenschentum ist gefangen in der ihm eigenen Vorstellungswelt: Danach steht der Einsatz von Gewalt nur den Vertretern der Staaten und ihren Beauftragten (Polizei, Heer, etc.) zu, diese dürfen dann, wie z.B. die USA, Menschen im Irak töten, Länder bombardieren und sie besetzen. Wer jedoch - als Gefangener - darüber nachdenkt, wie sich diese Opfer des hemmungslosen Imperialismus z.B. der USA zur Wehr setzen können, bekommt solch "kluge" Worte wie die eingangs zitierten in sein Stammbuch geschrieben.




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last modified 23.11.2017 | webmaster