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Sicherungsverwahrung - zu zwei Beschlüssen eines OLG

Sicherungsverwahrung - zu zwei Beschlüssen eines OLG

Über die Sicherungsverwahrung (SV) wurde schon viel geschrieben - und es besteht Notwendigkeit, immer und immer wieder darüber zu berichten; und zwar jenseits der populistischen Forderung des seinerzeitigen Bundeskanzlers Schröder: „Wegschließen - am besten für immer“.

Über die Sicherungsverwahrung (SV) wurde schon viel geschrieben - und es besteht Notwendigkeit, immer und immer wieder darüber zu berichten; und zwar jenseits der populistischen Forderung des seinerzeitigen Bundeskanzlers Schröder: „Wegschließen - am besten für immer“.

Im folgenden möchte ich über zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe berichten, welche sich mit langdauernder Vollziehung der SV beschäftigen; zuerst gebe ich jedoch einen kurzen Einstieg in die Thematik SV, da diese vielen relativ unbekannt ist.
Am Ende dieses Beitrags schließe ich mit einem Resümee, bzw. Ausblick.

1.)SV - Was ist das?

Am 24.11.1933 verabschiedete der Reichstag das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“. Dieses sah für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ eine unbefristete Verwahrung im Anschluss an die Verbüßung der Freiheitsstrafe vor, so lange bis der Verwahrte nicht mehr gefährlich sei.
Heute unterscheidet sich der Vollzugsalltag in der SV nur marginal von der normalen Freiheitsstrafe; beide Arten der Freiheitsentziehung werden in einer Vollzugsanstalt vollzogen, lediglich in getrennten Abteilungen. Es herrscht Arbeitszwang, Vollzugslockerungen (Ausgänge, Urlaub, Ausführungen) gibt es so gut wie keine; nicht umsonst werden SV-Abteilungen mitunter als „Toten-Abteilung“ bezeichnet. Viele Verwahrte wirken abgestumpft, lethargisch und dem Leben entrückt.
Dass sie vier Lebensmittelpäckchen pro Jahr mehr als Strafgefangene erhalten dürfen, letztere können derer drei beziehen, nützt nicht viel, denn die meisten SV'ler haben niemanden in Freiheit, der ihnen auch nur ein einziges Päckchen senden würde.
Und der vermehrte Zellenaufschluss (je nach Anstalt sind die Zellen bis 22 Uhr geöffnet) in SV-Abteilungen, erhöht die Lebensqualität nicht wirklich.

Der Verwahrte wird nach der Gesetzestheorie so lange eingesperrt, bis Gutachter und ein Gericht zur Überzeugung gelangen, die (angebliche) Gefährlichkeit des Verurteilten bestehe nicht mehr.

2.)Entscheidungen des OLG Karlsruhe

In zwei Beschlüssen vom 30.11.2005 (Az: 2 Ws 125/05) und 25.11.2005 (Az: 2 Ws 76/05) hatte sich das OLG Karlsruhe mit zwei Sicherungsverwahrten zu beschäftigen, welche schon über 13, bzw. über 17 Jahre in SV saßen; addiert man die vor der SV je stets erst zu verbüßenden Freiheitsstrafen hinzu, so stellt man fest, dass beide Beschwerdeführer schon mehr als 20 Jahre hinter Gitter verbrachten.

Das OLG (abgedruckt in: NStZ-RR 2006, Seiten 90-94) rügte die schlampige, ja desinteressierte Verfahrensweise der Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Freiburg. Dieses hatte mangelhafte, den Qualitätsanforderungen von (psychiatrischer) Praxis und Rechtssprechung nicht genügende Gutachten ihren Entscheidungen zugrunde gelegt und so die Rechte zumindest einer der beiden SV'ler verletzt. Dem anderen Verwahrten, der erfolglos mit dem Rechtsmittel blieb, warf das OLG vor, seine Weigerung, sich von einem bestimmten Gutachter untersuchen zu lassen, müsse er sich vorwerfen lassen.
Insbesondere rügte der Senat in beiden Fällen, dass das Landgericht den Wertungsmaßstab verkenne: Ab der SV-Verbüßung von mehr als 10 Jahren komme eine weitere Inhaftierung nicht etwa in Betracht, wenn es bloß an einer positiven Prognose mangele, vielmehr müssten konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte für eine andauernde Gefährlichkeit vorliegen.

Dies betonte schon 2004 das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 5.2.2004, Az: 2 BvR 2029/01; im Internet: http://www.bundesverfassungsgericht.de), hatte sich aber die 100 Kilometer von Karlsruhe bis zum Landgericht Freiburg offenbar nicht herumgesprochen.

3.)Resümee

Die Entscheidungen des LG Freiburgs sind symptomatisch für den Umgang der Justizorgane mit den Verwahrten - und darüber hinaus.
Manche(r) Leser(in) wird nun das Schicksal der Tatopfer ins Feld führen, aber dies würde zu kurz greifen. Es geht hier um Menschen, die seit Jahrzehnten hinter Gittern sitzen, die keine Chance erhalten (haben), sich in Freiheit zu bewähren, die von inkompetenten (das OLG formuliert es etwas höflicher) Gutachtern begutachtet werden, gedeckt vom zuständigen Landgericht.

Das gesellschaftlich offenbar sanktionierte Verwahren von Menschen ist inakzeptabel, dies ist bloße Rache hinter dem Deckmantel von (angeblicher) Prävention.

Thomas Meyer Falk, z. Zt. JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




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last modified 21.11.2017 | webmaster