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Zur Folterdebatte - Standpunkt eines Gefangenen

Viel war in den letzten Wochen über Folter zu lesen, zu hören und wohl auch zu sehen - für das Verständnis vieler angesichts der schrecklichen Fotos, vielleicht sogar allzuviel. Aber die Bilder sind wohl notwendig, um die Öffentlichkeit aufzurütteln, erst die auf Papier gebannten Abbildungen des gequälten und erniedrigten Individuums, hilft den BetrachterInnen sich einzufühlen und sich vorzustellen, wie man selbst wohl leiden würde.

Wenn wir die bekannten Photos aus dem Irak sehen (laut Bush wurden nur "anständige und ehrenwerte Bürger", so sein Kommentar vom Mai 2004, als die Folterungen ruchbar wurden, als SoldatInnen in den Irak entsandt. Man möchte gar nicht wissen, wie die Quälereien ausgesehen hätten, wären "unanständige und unehrenhafte" SoldatInnen in den Irak geschickt
worden) wissen wir ganz spontan und aus dem Bauch heraus: Das ist Folter - und das muss verboten sein und bleiben.

Viel unschärfer verlaufen zunehmend die Diskussionen in Deutschland in den Feuilletons der Presse und im Radio. Hier beteuern zwar durchweg alle DiskutantInnen solche "Zustände" wie im Irak wolle man "selbstverständlich" nicht, aber ein bisschen "Rettungsfolter" darf es dann schon sein. Ob Niklas Luhmann, Oskar Lafontaine, ein Bundeswehr-Professor, ein Jura-Professor aus Baden-Württemberg, und diese Aufzählung ließe sich beliebig verlängern, sie alle plädieren für die erwähnte "Rettungsfolter" - ein Unwort, geradezu dem Wortschatz des rechten Gutmenschen entsprungen scheinend. Kurz gesagt soll im Falle einer Gefahr für das Leben eines oder mehrerer Menschen Folter ein zulässiges Erkenntnismittel werden, ja es soll sogar eine ethische Verpflichtung geben, diese einzusetzen, wenn nur so besagtes Leben gerettet werden kann. Nach dem großen und dem kleinen Lauschangriff folgt dann bald ein "Folter-Gesetz"!? Ganze Aufsätze wurden diesem Thema gewidmet.

Und dann!? Dann steht man bei einer Demo den an Paramilitärs erinnernden PolizistInnen gegenüber, die unbeschwert in die Menge knüppeln, schließlich gilt es "höherrangige Güter" zu schützen und soll jetzt nicht Folter sowieso erlaubt werden, da kann man gleich doppelt so feste zuschlagen, geht es doch um "höhere Werte". Dieser Gedankengang mag polemisch klingen, ich denke, er ist jedoch nicht fernab jeder Realität, denn ganz offenkundig bildet sich langsam aber sicher ein Konsens heraus, der der Einführung von "Rettungsfolter" den Weg ebnet.

Wenn mitunter von einem "Rückfall ins Mittelalter" die Rede ist, so trifft dies nicht zu, denn die "peinliche Befragung" des Mittelalters hatte nicht die Rettung möglicher Opfer im Sinn, sondern es ging um die Herbeiführung und/oder Bestätigung eines Geständnisses. "Rettungsfolter" wäre eine (Miß-)Geburt der Neuzeit!

Aus der Vollzugsanstalt Brandenburg/a.d.H. wurde im Mai von massiven Übergriffen von Schlägertrupps bestehend aus Wärtern auf Insassen berichtet. CDU und SPD waren sich rasch einig, dass es sich um "heiße Luft" handeln müsse, denn deutsche Beamte werden im "Geiste des Grundgesetzes" ausgebildet und bei den Häftlingen handele es sich zudem um "schwere Jungs". Leider können die Gefangenen nicht mit Photos ihre Vorwürfe dokumentieren und so fällt es der dortigen Landesregierung leicht, sich aus der Affäre zu ziehen.

Und auch wenn es qualitativ etwas gänzlich anderes darstellt, möchte ich doch auf die Praxis der Haftanstalt Bruchsal verweisen, in der ich seit Jahr und Tag in Isolationshaft sitze: Jahrelang zwang man mich, drei Mal die Woche mich vor Wärtern nackt zu entkleiden, seit wenigen Jahren "nur" noch ein Mal pro Woche. dass ich dies als erniedrigend und inhuman erlebe, dürfte nachvollziehbar sein. Die stereotype Begründung lautet, ich sei ein "besonders gefährlicher" Insasse. Sinnigerweise und entlarvend wie ich finde, wurde in dem berüchtigten Stammheimer Gefängnis, in welches ich 2002 für 3 Monate "ausgelagert" wurde ( "3 Monate Isolation in JVA Stammheim") trotz Isohaft, auf diese Prozedur vollständig verzichtet.




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last modified 21.11.2017 | webmaster