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Solidarität mit muslimischen Gefangenen?!

Solidarität mit muslimischen Gefangenen?!


„Der Islam hat eine schlechte Presse im freien Westen.“, so beginnt ein spannender Beitrag der Gruppe „Kritik im Handgemenge“ (in: INTERIM Nr.641 v. 14.09.2006, S. 26-30).

Eine mindestens ebensolch schlechte Presse haben Gefangene, erst recht muslimische Häftlinge. Weshalb im Folgenden die Frage nach Solidarität mit Menschen muslimischen Glaubens, die hinter Gittern sitzen, nachgegangen werden soll.

Da ich als Autor dieser Zeilen die meiste Zeit der (noch andauernden) Inhaftierung in Isolationshaft sitze, habe ich wenig unmittelbaren Kontakt mit Mitgefangenen. Als ich jedoch 2002 für 3 Monate nach Stammheim „ausgelagert“ wurde, traf es sich, dass im „Gängle“ (wie der Eliteschwabe im Justizvollzugsdienst die Sicherheitsabteilung nannte) in der Nachbarzelle Mohammed D. saß. Er betete fünf Mal am Tag – und ebenso oft konnte man die Schreihälse hören, welche aus den Fenstern gröhlten und ihn mit ausländerfeindlichen Parolen zu beschimpfen versuchten.

Wir unterhielten uns gelegentlich von Fenster zu Fenster, als er nach Köln und ich nach Bruchsal verlegt wurden, schrieben wir uns.
Der Versuch ihm etwas Geld und ein paar Briefmarken zu schicken, schlug zu Anfang fehl. Mohammed D. sei laut UN und EU ein „gefährlicher islamistischer Terrorist“, deshalb stehe er auf der Sanktionsliste. Also musste eine Ausnahmeerlaubnis aus humanitären Gründen her, zu gewähren von der deutschen Bundesbank.

Wer Solidarität gerade für muslimische Gefangene einfordert, gerät alsbald in den Geruch ein verkappter Antisemit zu sein, schließlich sei doch der Antisemitismus aller Muslime allgemein bekannt. So wie aktuell RAF-Bashing betrieben wird, hinsichtlich deren Kooperation mit den Palästinensern in den 70er Jahren (vgl. SPIEGEL 4/2007 vom 22.01.2007, S. 44-45), welche auf einem gemeinsam antisemitisch gefärbten Fundament basiert habe.

Die antiislamische Propagandamaschinerie läuft auf Hochtouren, sei es bspw. in den Schulen: hier ist an die fundamentalistische Katholikin Dr. habil. Schavan zu erinnern. Mit einem Furor der seinesgleichen sucht, focht sie ein Kopftuch- und damit Berufsverbot für muslimische Lehrerinnen durch.
Katholische Nonnen freilich sollten ihren Habit selbstredend ebenso tragen dürfen, wie jüdische Lehrer ihre Kippa.

Sei es in der Wirtschaft oder in der Politik. Gezeichnet wird heute nicht mehr das Bild vom Knollnasigen Juden, sondern dem bärtig-böse dreinblickenden Muslim. Die eine menschenverachtende Ideologie löste die andere ab; (bzw. ergänzte sie, denn der Antisemitismus ist –unbestritten- existent). Und sitzt so ein böser Muslim im Gefängnis, ist er den dort gebündelt präsenten Vorurteilen ausgeliefert.


Sicher, es steht „Moslemkost“ auf dem Knast-speiseplan, aber es scheint ein running-gag zu sein, Muslime zu drangsalieren: „Hey, in der Gulaschsuppe für dich ist heute `ne extra Portion Schweinefleisch“ – als harmlose, angebliche Neckerei. Und wie immer wieder kolportiert wird, soll es tatsächlich vorkommen, dass gezielt Schweinefleisch an muslimische Gefangene ausgeteilt wird (was jedeR AnstandsleiterIN entrüstet –und auf die Bibel schwörend- bestreiten würde).
So wie auch die Bundesregierung lauthals bestritt, dass Murat Kurnaz 2001 in Afghanistan von deutschen KSK-Soldaten gefoltert worden sein konnte, schließlich seien dort 2001 gar keine KSK-Soldaten gewesen. Zwischenzeitlich hat die Regierung zumindest optisch-akustischen „Kontakt“ mit Kurnaz von nun 2001 doch vor Ort gewesenen KSK-Kräften eingeräumt.

Mal wird der Kamm für die übliche Reinigung von Bart und Haarschopf vor den Gebeten verweigert, mal der Gebetsteppich. Dann will man die Geschlechtsteile bei Ganzkörperkontrollen ganz genau in des Wärters Augenschein nehmen. Würde man letzteres fotografieren und publizieren, Rotes Kreuz und UNO riefen: „Unmenschlich“ –aber da so etwas stumm hinter deutschen Knastmauern geschieht, kräht kein Hahn danach.

All das und noch viel mehr sollte Anlass sein für ein Mehr an Solidarität auch und gerade mit muslimischen Gefangenen. Wobei Mensch sich unversehens in diversen Dateien der Sicherheitsbehörden wiederfindet, ist doch die Anti-Islamismushysterie wesentlich ausgeprägter, als der Verfolgungswahn in den 70ern und 80ern wenn es gegen Linke vorzugehen galt.


Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Zelle 3117
Schönbornstrasse 32
76646 Bruchsal

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last modified 21.11.2017 | webmaster