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zu den Entscheidungen des BVerfG bezüglich der Sicherungsverwahrung

In zwei Entscheidungen beurteilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ( www.bundesverfassungsgericht.de) die von den Nationalsozialisten 1933 ins Strafgesetzbuch aufgenommene Sicherungsverwahrung für mit der Menschenwürde vereinbar und somit verfassungsgemäß.


A. Urteil vom 5.2.2004:

Hier ging es um die Frage ob der Gesetzgeber 1998 rückwirkend für schon Verurteilte die Befristung der Unterbringung in der ersten Sicherungsverwahrung (SV) auf 10 Jahre, streichen durfte. Bislang war es so, daß ein Gefangener im Anschluß an die Freiheitsstrafe, so das Tatgericht die SV angeordnet hatte, maximal 10 Jahre in der SV verbringen mußte und danach zu entlassen war.

Diese 10 – Jahres – Grenze strich noch die Regierung von Helmut Kohl (CDU-CSU-FDP) gegen die Stimmen von SPD/GRÜNE und wurde nun vom BverfG bestätigt. Zwar forderte das Gericht die „Eigenständigkeit des Untergebrachten zu wahren, seine Würde zu achten und zu schützen“, jedoch verstoße der Wegfall der 10-Jahres-Obergrenze auch für vor der Reform von1998 Verurteilte nicht gegen das Rückwirkungsverbot oder die Menschenwürde.


B. Urteil vom 10.2.2004

Das BverfG entschied in diesem Urteil, daß zwar die nachträgliche Anordnung der SV aufgrund eines Landesgesetzes verfassungswidrig, das entsprechende Gesetz jedoch nicht nichtig sei. Was bedeutet dies? Die oben erwähnte SV die Gegenstand des Urteils vom 5.2.04 war, wird nach Bundesrecht (§66 Strafgesetzbuch) verhängt und zwar in jener Hauptverhandlung in der ein Strafgericht auch über Schuld und Unschuld eines Angeklagten zu urteilen hat. Wie aber, so dachten sich die CDU geführten Landesregierungen (z.B. Bayern, Baden-Württemberg), verfahren wir mit Häftlingen bei denen das Tatgericht keine SV anordnete, wir aber der Meinung sind der Gefangene stelle eine Gefahr für die Menschen dar!? Und so war die Idee der „nachträglichen SV“ geboren. Analog dem Polizeirecht, bzw. dem Länderrecht über die zwangsweise Unterbringung „psychisch Kranker“ sollten fürderhin –angeblich- gefährliche Gefangene trotz vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe und obwohl da Tatgericht keine SV verhängt hatte, dennoch im Gefängnis festgehalten werden dürfen.

In Eilverfahren (in Baden-Württemberg lagen keine zwei Monate zwischen Einbringung des Gesetzentwurfes in den Landtag und dessen Verabschiedung und Verkündung im Gesetzblatt) wurde die SV von vier Länderparlamenten beschlossen; Diese Ländergesetze sind verfassungswidrig, wie nun das BverfG feststellte.

Dennoch werden die Betroffenen nicht freigelassen, sondern bis zum 30.9.2004 hat nun der Bundestag Gelegenheit die Thematik auf Bundesebene zu regeln und solch eine Regelung wäre dann wohl auch verfassungsgemäß.


C. Resümee

Das BVerfG verpaßte nur knapp das 70jährige „Jubiläum“, denn am 24.11.1933 wurde von den Nazis die SV zum Gesetz erhoben. Das Gericht forderte eine Privilegierung der Verwahrten gegenüber den Strafgefangenen. Wie sieht dies bspw. In Baden-Württemberg aus? Wer im Anschluß an die Strafe SV zu verbüßen hat, muß die Freiheitsstrafe in Bruchsal erst einmal absitzen. Er baut sich dort ein soziales Umfeld auf, findet vielleicht ehrenamtliche Vollzugsbetreuer, darf – sofern er als „zuverlässig“ gilt - seine Ehefrau und Familie zu unüberwachten „Langzeitbesuchen“ empfangen (diese Besuche finden in einem Container ohne irgendeine Überwachung statt, so daß auch Sexualität möglich wird). Pünktlich zum Antritt der SV wird er jedoch nach Süddeutschland in die JVA Freiburg verlegt, denn diese ist für baden-württembergs Sicherungsverwahrte zuständig. Dort gibt es keinen Langzeitbesuch, sondern ein-oder zweimal pro Monat überwachten (!!) Besuch, seine Bezugspersonen gehen verloren, begonnene Therapien werden abgebrochen. Daß er dann in der SV-Abteilung etwas länger als in Bruchsal seine Zellentüre offen hat und eine Kochgelegenheit vorfindet, dürften die Wenigsten als tröstlich oder „privilegierend“ erleben.

Dies nur zur Seite des Vollzuges. Aus politischer Sicht ist die SV abzulehnen, sie ist und bleibt eine Nazivorschrift, sie geht aus von dem damaligen Menschenbild, daran ändern auch noch so viele Verschleierungsversuche nichts. Renommierte Psychiater machten 2003 das Gericht in der mündlichen Verhandlung darauf aufmerksam, daß angesichts der Schwierigkeit menschliches Verhalten zu prognostizieren 40 und mehr Prozent der Verwahrten fälschlich als „gefährlich“ eingestuft werden.

Die SV soll die Bevölkerung darüber hinwegtäuschen, daß die wirklichen Gefahren für die Menschen nicht etwa von einigen wenigen Insassen ausgehen, sondern von den gesellschaftlichen Strukturen und deren Vertreter in Politik und Wirtschaft. Kein noch so „gefährlicher“ Insasse hat bspw. So viele Tote verursacht wie ein Herr George W. Bush im Irak mit seinem Einmarsch und den Bombardements. Kein wegen Einbruchdiebstahls in lebenslanger SV sitzender Verwahrter hat auch nur annähernd solch einen Schaden verursacht wie z.B. Deutsche Bank Chef Ackermann.




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last modified 23.11.2017 | webmaster