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Rechtsschutzverweigerung am Beispiel der Strafvollstreckungskammer Karlsruhe

Strafgefangene und Sicherungsverwahrte haben gemäß § 109 Strafvollzugsgesetz das Recht, gegen Maßnahmen der Haftanstalt (=JVA), soweit sie von diesen individuell betroffen sind, Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Hierbei handelt es sich um die einfach gesetzliche Ausformung des Grundrechts auf Rechtsschutz nach Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz: "Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen".

Zuständig für die Bearbeitung dieser Anträge auf gerichtliche Entscheidung ist das örtliche Landgericht, bei welchem so genannte
Strafvollstreckungskammern gebildet werden. Diese Kammern entscheiden nicht nur darüber, ob Gefangene vorzeitig auf Bewährung aus der Haft entlassen werden, sondern auch, inwieweit die Vollzugsanstalten rechtmäßig in die (Grund-)Rechte der Insassinnen und Insassen eingegriffen haben.

Begehrt zum Beispiel ein Häftling den Besitz eines Fernsehers und lehnt die Gefängnisleitung dies ab, kann hiergegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden und das Gericht wird sodann über die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung zu entscheiden haben. Wie sieht jedoch die Praxis beispielsweise am Landgericht Karlsruhe aus?

Seit geraumer Zeit ist festzustellen, daß zum einen regelmäßig das Oberlandesgericht - in 2. Instanz, denn gegen Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer (=StVK) ist die Rechtsbeschwerde möglich - Karlsruhe Beschlüsse der 1. Instanz, der StVK beanstandet und zum anderen, daß die StVK Anträge der Gefangenen jahrelang(!) liegen lässt.


Aufhebung durch das Oberlandesgericht:

Die StVK entscheidet über Anträge auf gerichtliche Entscheidung in der Besetzung mit einem oder mit einer Richter, bzw. Richterin. Nun gibt es immer wieder lernresistente Richterinnen und Richter, so auch in Karlsruhe. Eherner Grundsatz ist, dass das Gericht nicht eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der JVA setzen darf. Was heißt das? Vielfach gibt das Gesetz der JVA die Möglichkeit, eine Entscheidung so oder so zu fällen, räumt ihr also ein Ermessen ein - und das Gericht darf diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob die Anstalt von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen ihres Beurteilungsspielraumes eingehalten und die richtigen Wertmaßstäbe angewendet hat. Beliebt, insbesondere bei Richterin G., ist, Entscheidungen der JVA zu Lasten eines Gefangenen, die ersichtlich mangel- und fehlerhaft begründet worden sind, nicht etwa - was rechtlich geboten wäre - aufzuheben, sondern mit richterlichen Erwägungen zu ergänzen und die Anträge der Gefangenen als unbegründet zurück zu weisen.

Schon über Jahre sieht sich das Oberlandesgericht regelmäßig veranlasst, dem Landgericht Karlsruhe vorzuhalten, daß eine solche Verfahrensweise unzulässig ist - mit eher mäßigem Erfolg.


Liegenlassen von Anträgen

Aber fast schon gravierender ist es, wenn die StVK Anträge der InsassInnen über Jahre hinweg einfach liegen läßt. Effektiver Rechtsschutz bedeutet unter anderem, dass dieser in angemessener Zeit gewährt werden muss. Nun sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Präsidium des Landgerichts Karlsruhe (Präsident BASCHANG, Hans-Thoma-Str. 7, 76133 Karlsruhe, Telefax: 0721-9263114) dafür verantwortlich ist, die StVK angemessen mit Richterstellen auszustatten. Alleine 2003 gingen über 1000 Verfahren bei der StVK ein (incl. Verfahren über Entlassung aus der Haft auf Bewährung; Führungsaufsicht; etc.) und die vier oder fünf RichterInnen mussten nicht nur diese Sachen bearbeiten, sondern auch als RichterIn in regulären Strafsachen Sitzungen wahrnehmen.

Dies mag die eklatanten Verzögerungen erklären, vermag sie jedoch nicht zu entschuldigen. Einige Beispiele aus dem Alltag:

- ein Insasse stritt Ende 2001 mit der JVA um die Bezahlung von medizinischen Hautcremes. Über seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.12.01 entschied die Kammer erst am 10.6.2003. Immerhin, sie gab ihm Recht, aber die 18 Monate Verfahrensdauer sind nicht sachlich nachvollziehbar;
- ich selbst streite seit Frühjahr 1999 (!) mit der JVA um die Aushändigung meines Fernsehers. Nachdem ausdrücklich "zur Beschleunigung" des Verfahrens die Sache im Dezember 2002 an das Landgericht verwiesen wurde, warte ich noch heute auf einen Beschluss;
- im Januar/Februar 2000 konfiszierte die JVA mehrere ausgehende Briefe; nach Durchführung des seinerzeit noch notwendigen Verwaltungsvorverfahrens, ging am 7.4.2000 mein Antrag bei der StVK ein. Erst über 3 Jahre 7 Monate später geruhte die Richterin H. darüber zu entscheiden.
- mittlerweile geht Richterin G. dazu über, den Gefangenen zu raten, ihre Anträge doch zurück zu ziehen, schließlich sei es ungewiss, wann eine Entscheidung ergehen könne, da die StVK überlastet sei.

Hier scheint es so zu sein, dass der Anspruch auf Rechtsschutz der Gefangenen zumindest vor dem Landgericht Karlsruhe unterlaufen wird und die sowieso nur spärlichen Rechte, die InsassInnen zugestanden werden, gänzlich im Nichts verschwinden. Man muss nicht von Hause aus dem Rechtssystem der BRD kritisch bis ablehnend gegenüber stehen, um festzustellen, dass es sich bei der hier geschilderten Praxis, über die im übrigen der erwähnte Präsident des Gerichts, Herr BASCHANG, informiert ist, um das typische Symptom eines Staates handelt, der primär Rechtsschutz jenen gewährt, die mit viel Geld teure Anwaltskanzleien beauftragen können. Gefangene, so offenkundig die Ansicht in Karlsruhe, rangieren unter ferner liefen und müssen noch dankbar sein, so sich eine Richterin oder ein Richter bequemt, über einen Antrag zu entscheiden.

Wer das herrschende politische System als solches in Frage stellt, kommt zu dem Ergebnis, dass es sich primär um eine Alibiveranstaltung eines Staates handelt, der sich den Anstrich einer gewissen Liberalität gibt, in dem er in ein Gesetz hinein schreibt, dass selbst Gefangene - theoretisch - das Recht haben sollen, ein Gericht anzurufen.




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last modified 23.11.2017 | webmaster