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Bruchsaler Knast: Erneut herbe Niederlage für Anstaltsdirektor vor Gericht

Strafgefangene sind per Gesetz zur Arbeit verpflichtet (zur Zwangsarbeit im deutschen Strafvollzug vgl. " 25 Jahre gesetzlich geregelte Zwangsarbeit in Deutschland") und wer die Arbeit verweigert, bzw. wegen tatsächlichem oder angeblichem "Fehlverhaltens" von der Arbeit "abgelöst", will heißen: rausgeschmissen wird, dem drohte (bislang) im Bruchsaler Gefängnis die so genannte "Rote Karte".

Diese bedeutet u.a.: Gesonderten Hofgang; an Wochenenden nur 1 Stunde Hof anstatt bis zu 4 Stunden; kein Hofgang abends im Sommer; Entzug des Fernsehgerätes; so gut wie keinen Haftraumaufschluß (in der Regel haben Gefangene z.B. an Wochenenden hier von 7.15 Uhr bis 10.30 Uhr, sowie von 14.00 Uhr bis 16.45 Uhr ihre Zellen geöffnet). Angeordnet wird die "Rote Karte" vom VAW (Vollzugliches Arbeitswesen), man bekommt dann statt einer weißen (= Arbeiter) oder blauen (= unverschuldet arbeitslos, z.B. wegen Krankheit) eine rote Karte als Namensschild neben die Haftraumtüre gehängt.

Im April 2004 schied ein Gefangener aus der Buchbinderei der JVA aus, da er den Arbeitsprozess durch sein Verhalten gestört haben soll - prompt verhängte die Anstalt den Status "Rote Karte". Aber der Insasse wehrte sich. Fast wie zu erwarten, nickte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe die Maßnahme der JVA ab. Nunmehr zog Herr K. vor das Oberlandesgericht Karlsruhe und gut ein Jahr nachdem das Landgericht ihn hatte abblitzen lassen, gab das OLG Herrn K. recht und stellte fest, dass die Anordnung der JVA Bruchsal - Zitat - "rechtswidrig war" (Beschluss vom 29.6.2005, Aktenzeichen: 1 Ws 291/04).

Formal, so das OLG, handele es sich nämlich um besondere Sicherungsmaßnahmen, diese dürften aber nur dann verhängt werden, wenn eine "erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden könne". Außerdem sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Der Entzug des Fernsehers sei zudem nur im Wege eines Disziplinarverfahrens zulässig und keineswegs im Rahmen dieser "Rote-Karte"-Maßnahmen.

Aufgabe des OLG ist es, Leitsätze für die Auslegung des Strafvollzugsgesetzes aufzustellen, woran sich der Anstaltsleiter tunlichst zu orientieren hätte. Insofern müsste er nun bei allen Gefangenen, die den erwähnten Restriktionen unterworfen sind, entweder selbige sofort aufheben oder aber das vom OLG vorgesehene Procedere einhalten. Ebenso bezeichnend wie skandalös ist es, dass erst heute eine solche Gerichtsentscheidung deutlich macht, mit welcher Selbstverständlichkeit hier seit zig Jahren die elementarsten Regeln des Strafvollzugsgesetzes missachtet werden. Das politische Bewusstsein der Insassenschaft ist bedauerlicherweise nicht sonderlich ausgeprägt, dennoch bewegen vielleicht solche Entscheidungen etwas, da sie den Gefangenen vor Augen führen, dass das Vollzugspersonal nicht sonderlich gewillt ist, selbst die wenigen Rechte, die man laut Gesetz den Gefangenen zubilligt, zu beachten und zu respektieren. Eine solche Einsicht wäre ein Anfang für einen Bewusstseinswandel.




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last modified 23.11.2017 | webmaster