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Über einen Lagerkurs im Lager


Wer etwas zugespitzt von Gefängnissen sprechen möchte, nennt diese (auch in Deutschland) schon mal Lager, selbst wenn dieser Begriff letztlich für die Verhältnisse in Deutschland nicht zutrifft (zumindest noch nicht, denn wenn man die Entwicklungen in anderen Staaten verfolgt, und die gelegentlich hochkochende Stimmung, werden vielleicht auch hier in der BRD - wieder - Lager eingeführt werden).

Von Juni bis Oktober 2008 fand in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal für 13 Gefangene ein Lehrgang zur Qualifizierung zur Lagerfachkraft statt. Zu Beginn machte jeder Teilnehmer auf dem Gelände der Anstalt den Gabelstaplerschein und im Anschluss daran, saßen wir knapp drei Monate in der Gefängnisschule.

Jeder von uns musste sich mit 500 Euro an den Kursgebühren beteiligen; wobei laut Auskunft einer der Lehrkräfe der DEKRA Qualification GmbH, Karlsruhe, welche den Kurs durchführte, die Kosten pro Gefangenem bei 3500-4000 Euro gelegen haben dürften. Einige der Teilnehmer hätten ohne die Eigenbeteiligung die Teilnahme sicherlich vorzeitig abgebrochen.

Hiervon nehme ich mich selbst nicht aus, denn Hitlerbilder auf den Computern trugen eben so wenig zumindest zu meiner Motivation bei, wie so manch sexistischer Spruch jehnes fest bei der DEKRA angestellten Ex-Soldaten (12 Jahre, u.a. bei den Fallschirmjägern), der im Zusammenhang mit Entwicklungen aus Japan auch noch laufend von "den Japsen" sprach. Erst nach meinem Hinweis, er möge doch seine chauvinistischen Scherze sein lassen, aber auch das Gerede von "den Japsen, hielt er sich zurück.

Die Hitlerbilder waren von den Rechnern erst verschwunden, nachdem ein neues Betriebssystem aufgespielt wurde (da Gefangene weder USB-Sticks, noch CD-Roms besitzen dürfen fragt man sich, wenn Gefangene als "Quelle" ausscheiden, wer ursprünglich die Bilder ins Intranet einspeiste - denn ans Internet sind die Rechner selbstverständlich auch nicht angeschlossen).

Wenig überraschend fanden sich zudem diverse antisemitische Ausfälle seitens mancher Teilnehmer: seien es antisemitische Sprüche, bis hin zu "Karikaturen". Eine intellektuelle Reflektion fand nicht statt, vielmehr wurden Stereotype reproduziert. Diese waren weniger fremdenfeindlich motiviert, denn die Zusammensetzung der Klasse war multikulturell: türkische Migranten, der Balkan war vertreten, Südeuropa und auch deutsche Gefangene.

In den ersten Tagen kamen die Herren H. und G. zu uns in die Anstaltsschule, beides freie Mitarbeiter der DEKRA und brachten uns in lebendiger Art und Weise die Situation auf dem Stellenmarkt näher, legten auch Schwerpunkte im Bereich Kommunikation und Arbeitnehmerrechte, gerade was die Zeitarbeitsbranche betrifft.

Die letzten zwei Monate war dann der schon weiter oben erwähnte Ex-Soldat M. unser Lehrer. Wenig Anklang fand seine Unterrichtsmethode den Inhalt des Lehrbuchs in etwas primierter Form an die Tafel zu schreiben, von wo wir es dann abzuschreiben hatten. Erst gegen Kursende ging Herr M. auch zu etwas anschaulicherem Unterricht über. Dem aktuellen fachlichen Standard durfte es jedenfalls eher nicht entsprechen, Seite um Seite an die Tafel zu schreiben, um es dann stupide abschreiben zu lassen. Wo er sich von dem Buch löste und aus eigener Erfahrung berichtete, wurde jedoch auch sein Unterricht anregender und die Aufmerksamkeit der Teilnehmer nahm zu.

Zudem fand der Lehrgang schon dadurch ein versöhnliches Ende, dass Herr M., der Anregung der Teilnehmer folgend, zur Verabschiedung Döner mitbrachte. "Draußen" vielleicht etwas banales, aber für Gefangene die soetwas seit mitunter vielen, vielen Jahren nicht mehr essen konnten, ein Genuss.

Auch wenn die wenigstens der Teilnehmer später in einem Lager arbeiten dürften, so hat doch jeder etwas gelernt und für sich mitgenommen.

Bildung ist elementar! Nicht-Wissen, Nicht-Können führen ins Abseits und deshalb sind solche Kurse so wichtig für die Gefangenen. Erst recht wenn sie von kritischen Lehrkräften, wie den Herren H. und G. durchgeführt werden, die nicht nur an einem still und gut funktionierenden (künftigen) Arbeitnehmer interessiert sind, sondern dezidiert über Rechte und Rechtsschutsmöglichkeiten im Arbeitsleben, wie auch die (teils recht schmutzigen) Tricks der Arbeitgeber, insbesondere in der Zeitarbeitsbranche aufklären.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstrasse 32, 76646 Bruchsal




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last modified 23.11.2017 | webmaster