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Darf ein Meerschweinchen in den Knast?


Darf ein Meerschweinchen in den Knast?

Zur Zeit beschäftigt sich das Landgericht Karlsruhe (Aktenzeichen: 151 StVK 84/07) mit der Frage, ob ein Strafgefangener der Justizvollzugsanstalt Bruchsal ein Meerschweinchen halten darf oder nicht.
Zugegebenermaßen auf den ersten -und vielleicht auch den zweiten- Blick nicht gerade ein existenzielles Problem, jedoch hat der klagende Insasse, nach eigenen Bekunden, eine Allergie gegen Vögel, kann sich also - was hier in Bruchsal statthaft wäre- keinen Wellensittich halten. Und so bat er im Mai um die Genehmigung ein Meerschweinchen halten zu dürfen. Da die Anstalt dies ablehnte, stellte er Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Zwischenzeitlich liegt deren sechs Seiten umfassende Erwiderung vor. Unter dem 14. Juni 2007 nahm die JVA gegenüber dem Gericht Stellung und soll im folgenden auszugsweise zitiert werden :
„Zum einen werden Meerschweinchen in der Regel in kleinen Familien gehalten, zum anderen setzt eine artgerechte Meerschweinchenhaltung im Käfig voraus, dass der Käfig mit Spreu ausgelegt ist und eine Rückzugsmöglichkeit für ein Tier beinhaltet. Sowoh1. unter dem Spreu als auch in dem “Häuschen“ des Meerschweinchens bieten sich Versteckmöglichkeiten, die im Rahmen der aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlichen Kontrollen nur entdeckt werden könnten, wenn der Käfig zu Kontrollzwecken geöffnet und entleert würde. (...) Der Anschaulichkeit halber darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Vogelhaltung damit nicht vergleichbar ist, da der Boden eines Vogelkäfigs allenfalls mit was sog. Vogelsand bedeckt ist, der bei leichter Schrägstellung des Käfigs von selbst in die tiefstgelegene Käfigbodenecke rieselt. Die Haltung (...) des Meerschweinchens auf einem Sandboden erscheint nicht tier(art)gerecht und böte auch insoweit keine Abhilfe als eine Schrägstellung eines Meerschweinchenkäfigs zum Zwecke einer dem Vogelkäfig vergleichbaren Sichtkontrolle des Käfigbodens das darin befindliche Tier, das sich anders als ein Vogel auf seiner Stange mit seinen die Stange umschließenden Krallen nicht “festhalten“ kann, in eine einem menschlichen Achterbahn fahren vergleichbaren Situation gebracht würde, die der Tiergesundheit sicher nicht förderlich wäre.“
Man ist geneigt, sich dieses Szenario geradezu bildlich vorzustellen und zu fragen, was sich die Anstalt unter “Schrägstellung“ des Käfigs vorstellen mag, wenn diese einer “Achterbahnfahrt“ vergleichbar sein soll : Käfigüberschlag ? J.

Im weiteren wendet sich die JVA nun an die Gesundheit ihrer Beamten zu; nein, man argumentiert nicht, der Gefangene könne sein Meerschweinchen abrichten Bedienstete anzufallen, aber :
“ im übrigen handelt es sich bei Vögeln, anders als bei Meerschweinchen, um Federvieh, das keine Tierhaare verliert, gegen die auch die mit der Kontrolle der Hafträume der Gefangenen beauftragten Bediensteten teilweise allergisch sind. Fürsorgegesichtspunkten kann aber gegen Tierhaare allergischen Bediensteten die Kontrolle eines Meerschweinchenkäfigs nicht übertragen werden. (...) Es ist (außerdem) organisatorisch nicht leistbar, bereits bei der Einstellung neuer Bediensteter auch darauf zu achten, dass die Bewerber nicht gegen Tierhaare allergisch sind, wie dies in der Bevölkerung vergleichsweise weit verbreitet ist, zumal sich Allergien mitunter auch erst im fortgeschrittenen Alter entwickeln.“
Und im übrigen, könne der Gefangene selbst (oder von Dritten hierzu gezwungen) werden in besagten “Häuschen“ in das sich eigentlich das Meerschweinchen zurückziehen können soll, “selbst gefertigte Waffen, Werkzeuge“ verstecken. Außerdem böte es ein ideales Versteck für ein Handy “.

Nun bleibt Herrn E. nur abzuwarten wie das Gericht entscheiden wird. In Literatur und Rechtssprechung werden ganz unterschiedliche Auffassungen vertreten die Spannbreite reicht von vollständigem Tierhaltungsverbot (primär wegen der Gefahr der Übertragung von Krankheiten), bis hin zu einem Plädoyer für größtmögliche Zulassung eigener Tierhaltung, da diese - gerade bei Langstrafen psychisch und therapeutisch von Nutzen sein könne(so z.B. Schwind in Schwind/Böhm, Strafvollzugsgesetz, Kommentar, 3.A.,§ 70 Rnd.nr. 8). In der JVA Brandenburg dürfen einige Gefangene sogar eine eigene Katze halten so Böhm in Schwind/Böhm, a.a.O., § 19 Rnd.nr.6). Wie eingangs erwähnt, es gibt gewiss wichtigere Probleme hinter Gittern, aber warum sollte nicht auch ein Inhaftierter ein Meerschweinchen besitzen dürfen?


Thomas Meyer-Falk, z.zt. JVA-Z. 3117, Schönbornstrasse 32,
D-7.6646 Bruchsal, http://www.freedom-for-thomas.de






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last modified 23.11.2017 | webmaster